Die Hermetische Tradition
Die Hermetische Tradition ist eine Ansammlung philosophischer und religiöser Ideen, welche hauptsächlich auf den Schriften, die dem Hermes Trismegistus zugeschreiben werden, beruht. Er wird als Weiser und hoher ägyptischer Priester bezeichnet und wird allgemein als synonym mit dem ägyptischen Gott Thoth gesehen. Die Hermetische Tradition schreibt ihm gemeinhin 42 Werke zu. Jedoch wurde die Mehrzahl dieser Werke beim Brand der Großen Bibliothek Alexandrias zerstört.
Die Hermetische Tradition entstand aus der Begegnung der beiden großen Kulturen der Antike, der ägyptischen und der griechischen, in Alexandria, im ptolemäischen Ägypten. Die frühesten Wurzeln der Hermetischen Tradition liegen in den astronomischen, spirituellen Traditionen Sumers, später der von Chaldäa und Ägypten, bevor die Lehren Europa über die greichischen und römischen Imperien erreichte. In Griechenland fand diese frühe Weisheitslehre ihren Weg in die Pythagoräische Schule und beeinflusste dadurch auch die Orphischen, Delphischen, und Eleusinischen Mysterien. Nach Rom kam sie von Ägypten aus, mit den Hermetischen und Gnostischen Traditionen, und verbreitete sich dann durch die Mithras- und Isis-Mysterien, die später die Wurzel des Neo-Platonismus bildeten.
Die Hermetische Tradition, welche durch die Kirche bekämpft wurde, wurde Teil der okkulten Geheimzirkel und vermischte sich mit anderen okkulten Bewegungen und Praktiken. Die Einführung der Hermetik in den Okkultismus hat der Hermetik großen Einfluss auf die Westlichen Magischen Traditionen gegeben. Die auf Hermetischen Lehren beruhenden spirituellen Praktiken wurden als sehr nützlich in der magischen Arbeit, speziell der Theurgie (Theurgie= Göttliche Arbeit, öttliches Wirken; im Gegensatz zur Goetik, der profanen magischen Praxis) angesehen, aufgrund der religiösen Bezüge, aus denen die Hermetik entstand.
Unter Verwendung der Lehren und der Bilderwelt der jüdischen Qabalah und des christlichen Mystizismus wurde die Hermetische Theurgie effektiv angewandt, da sie den Europäern des Mittelalters und der Renaissance einen leichter verständlichen Kontext bot. Hermetische Magie erlebte einen Aufschwung in Westeuropa, als der Hermetic Order of the Golden Dawn 1888 in London gegründet wurde.
Grundlegende Hermetische Werke
Es gibt drei große Werke, die weithin bekannt sind für ihren hermetischen Gehalt:
Die Smaragd-Tafel des Hermes Trismegistus ist ein kurzes Werk in Versen, aus dem der in okkulten Kreisen bekannte Satz "Wie Oben, so Unten" stammt. Wie überliefert ist, wurde diese Tafel von Alexander dem Großen bei Hebron, angeblich im Grabe des Hermes, gefunden. Der tatsächliche Text der oben angeführten Maxime lautet "Das, was Unten ist, korrespondiert mit dem, was Oben ist, und das, was Oben ist, korrespondiert zu dem, was Unten ist, um das Wunder des Einen Dinges zu erschaffen".
Die Tafel des Hermes benennt auch die drei Teile der Weisheit des gesamten Universums. Auf diese drei Teile bezieht Hermes sein Wissen, was der Grund ist, warum er den Namen Trismegistos; "Dreifach Großer" trägt (ägypt.: Ao-Ao-Ao mit der Bedeutung "der Größte").
Dieses “Ao” ist reflektiert in den Initialen die S.L. MacGregor Mathers dem Orden gab: A.O., um damit anzudeuten, dass wir nicht nur ein Rosenkreuzer-Orden sind, sondern auch ein Hermetischer Orden.
Das Corpus Hermeticum ist das als hermetischer Text am meisten anerkannte bzw. bekannte Werk. Es besteht aus sechszehn Büchern die als Dialoge zwischen Hermes Trismegistos und einer Reihe von anderen Personen konzipiert sind. Das erste Buch beinhaltet eine Diskussion zwischen Poimandres (auch bekannt als Nous und Gott) und Hermes, augenscheinlich aus einer Meditation entstanden, und ist das erste Mal dass Hermes in Kontakt mit Gott ist. Poimandres lehrt Hermes die Geheimnisse des Universums, und spätere Bücher sind allgemeine Belehrungen des Hermes gegenüber anderen (wie etwa Asclepius und dessen Sohn Tat). Die vier klassischen Elemente Erde, Wasser, Luft und Feuer, um die diese Lehren kreisen, werden oft in der Alchemie benutzt, und es gibt zahlreiche Anspielungen auf diese Elemente und auch auf die Alchemie im Corpus Hermeticum.
Das Kybalion: Hermetische Philosophie ist ein Buch welches erstmals auf englisch im Dezember 1908 in Chicago von drei Menschen, die sich als die "Drei Eingeweihten" bezeichnen, veröffentlicht wurde. Viele der Hermetischen Prinzipien werden darin erläutert.1
Hermetisches Weltbild
Im Hermetischen Glaubenssystem ist Alles im Geist des Allen enthalten. Der Hermetizismus erkennt an, dass viele Götter existieren, aber lehrt, dass diese Gottheiten, zusammen mit allen anderen Daseinsformen, vom ALL erschaffen wurden und werden und darin existieren. Wie es im Kybalion heißt: "Wir haben dir die Hermetische Lehre gegeben in Bezug auf die Geistige Natur des Universums – die Wahrheit, dass "das Universum geistiger Natur ist – enthalten im Geist des ALL.' Jedermann und jedes Ding im Universum ist Teil dieser Wesenheit.
Da alles geistig ist, ist es auch eine Vibration. Alle Vibrationen schwingen zwischen den dichtesten physischen Partikeln, über oder durch geistige Stadien, bis zu den höchsten spirituellen Vibrationen. Im Hermetizismus ist der einzige Unterschied zwischen den verschiedenen Zuständen der physischen Materie, der geistigen Welt und der Spiritualität der Level ihrer jeweiligen Frequenz ihrer Vibration. Je höher die Schwingung, desto weiter ist sie von der dichten Materie entfernt.
Das Ziel der Hermetischen Praxis ist, die materielle Grundlage des physischen Körpers zu immer höheren und reineren Formen der Energie und des Bewusstseins zu transmutieren.
Hermetische Spirituelle Praxis
Eine Version der Erklärung, warum Hermes Trismegistos den Namen "Trismegistos," mit der Bedeutung "Dreifach Großer" erhielt, liegt darin, dass er in der Smaragd-Tafel behauptet, er kenne die drei Teile der Weisheit des gesamten Universums. Diese sind die so genannte Hermetische Triade (Trivium Hermeticum) spiritueller Praktiken: Alchemie, Astrologie, und Theurgie, durch welche spirituelles Erlangen in der Hermetischen Tradition erreicht wird

Alchemie – Die Operation der Sonne –
Für den Hermetizismus ist Alchemie nicht bloß das Verwandeln (chemisch-physischen) Bleis in (chemisch-physisches) Gold. Die Hermetischen Eingeweihten verspotteten jene ‘Alchemisten’ welche Gold herzustellen versuchten, als "Fehlgeleitete"; unfähig, die subtilen Allegorien der Hermetischen alchemistischen Texte zu verstehen. Hinter den allegorischen Stadien der chemischen Destillation und Fermentation, um die Prozesse der Natur zu beschleunigen und den natürlichen Körper in einen Zustand der Perfektion zu überführen, liegt die alchemistische Kunst der Transmutation (Ars Transmutoria).
In diesem "Großen Werk" (Opus Magnum) der Hermetischen Alchemie, wird die erste Materie (Prima Materia), welches der physische Körper ist (symbolisiert durch Blei = Saturn, Chronos, der Zeit unterworfen) transmutiert in immer höhere verfeinerte Formen der Energie. Dabei wird ein ‘Lichtkörper' erschaffen (symbolisiert durch Gold = Sonne, ein solarer Körper), mit dem letztendlichen Ziel, während der gegenwärtigen Inkarnation bewusste Unsterblichkeit zu erlangen (Göttliches Bewusstsein). Dies wird vermittels eines mächtigen Elixiers erreicht, welches als 'Stein der Weisen'l bezeichnet wird, welches, wenn es eingenommen wird, den Körper reinigt und seine Schwingungen anhebt.
Die Zusammensetzung des 'Stein der Weisen' ist eines der bestgehüteten Geheimnisse der Hermetischen Tradition. Alchemistische Texte jedoch benennen klar, dass der 'Stein der Weisen' erschaffen wird durch Reinigung und Verfeinerung des Merkurs, so dass daraus der 'Merkur der Philosophen' entsteht. Dieser Merkur, dessen wahre Natur durch die Allegorien vor Nicht-Eingeweihten verborgen bleibt, wird transmutiert und gereinigt durch "Kochen" mit den subtilen Feuern des physischen Körpers, welche Liebe und Sexualität einschließen. Die tatsächlichen Techniken der Königlichen Kunst (Ars Regis) der Alchemie bleiben der kraftvollste und streng geheime Teil der Hermetischen Tradition; und werden sorgfältig gehütet in den höchsten Graden des Hermetic Order of the Golden Dawn®. Alchemie wird als "Schlüssel" zur Theurgie angesehen, deren Ziel es ist,mit den höheren Welten vereinigt zu werden, was zu Göttlichem Bewusstsein führt.
Theurgie (Magie) – Die Operation des Mondes –
Theurgie kann übersetzt werden als "Die Wissenschaft (oder Kunst) Göttlicher Werke." Es gibt zwei unterschiedliche Arten der Magie, wie sie von Giovanni Pico della Mirandola's Apologie beschrieben werden, einander vollständig entgegengesetzt. Die erste ist Goëtia, Schwarze Magie, welche sich der Allianz mit bösartigen Geistern bedient (z.B. Dämonen). Die zweite ist Theurgie, göttliche Magie die auf eine Allianz mit göttlichen Wesenheiten abzielt (z.B. Engel, Erzengel, Götter). In der Praxis der Hermetischen Theurgie werden die göttlichen Wesen angerufen, um die elementaren, planetaren und zodiakalen Kräfte im physischen und energetischen Körper zu erwecken. Theurgie ist der praktische Aspekt der Astrologie. Ritualmagie und alle modernen magischen Traditionen stammen letztlich von der Hermetischen Theurgie ab.
Astrologie – Die Operation der Sterne –
Die drei Disziplinen des Trivium Hermeticum: Alchemie, Theurgie, und Astrologie , sind komplett mit einander verwoben und bedingen sich gegenseitig. Hermetische Astrologie ist nicht einfach ein passives Werkzeug zur Zukunftsvorhersage, wie sie heutzutage meistens verstanden wird, sondern benutzt eher die stellaren Einflüsse für die spirituelle Entwicklung durch Alchemie und Theurgie. Hermetische Alchemie und Theurgie sind ebenso abhängig von astrologischen Zyklen. Daher kann Theurgie auch als astrologische Magie beschrieben werden.
Hermetische Bruderschaften
Die Rosenkreuzer-Tradition entstand aus der Hermetischen Tradition. Der Gold und Rosenkreutz- Orden praktizierte alle drei Aspekte des Trivium Hermeticum (Alchemie, Theurgie , und Astrologie). Der theurgische Aspekt wurde später durch den Hermetic Order of the Golden Dawn ab1888 weiterentwickelt. Diese Tradition wird bis heute in S.L. MacGregor Mathers' Alpha et Omega® fortgesetzt, welcher alle drei Disziplinen des Trivium Hermeticum praktiziert und lehrt und die höchsten Schlüssel der Einweihung in die Hermetische Innere Alchemie besitzt.
Literatur:
1 Das Kybalion. Eine Studie über die hermetische Philosophie des alten Ägyptens und Griechenlands. Aurinia Verlag, Hamburg 2007, ISBN 978-3-937392-17-2. Herausgegeben und mit einem Vorwort versehen von Robert Osten.